Die Einwilligung in Abtretung der Forderung auf Bezahlung der Behandlungskosten oder kurz: Alles zum EWE-Formular
Artikel vom 12.12.2017
Das EWE-Formular: Ist es ein weiteres Teil im typisch deutschen Papierkrieg oder ein wichtiger und auch geldwerter Schutz für Ärzte und Zahnärzte?
Als Ihr Partner unterstützt die PVS Reiss GmbH Sie umfassend im Bereich der Abrechnung der Behandlungskosten und entlastet somit Ihre Praxisverwaltung. Dennoch drängt die PVS Reiss GmbH mit besonderem Nachdruck darauf, dass Sie im Vorfeld der Übermittlung der Abrechnungsdaten stets ein aktuelles PVS Reiss GmbH-Einwilligungsformular von Ihren Patienten unterschreiben lassen.
Manche mögen denken: „Noch ein Formular, das beachtet, von dem Patienten unterschrieben und aufbewahrt werden muss.“ Mit dem folgenden Beitrag möchte ich Ihnen die Hintergründe für das Vorgehen der pvsmefa Reiss darlegen, damit Sie am Ende auch überzeugt sind: „Gut, dass die PVS Reiss GmbH daran gedacht hat!“
Gesetzliche Ausgangssituation
Der medizinische Behandlungsvertrag wird ausschließlich zwischen Ihnen als Arzt bzw. Zahnarzt und dem Patienten geschlossen. Sie sind dabei als „Behandelnder“ verpflichtet, die versprochene Behandlung des Patienten zu leisten; der Patient ist im Gegenzug zur Gewährung der Vergütung verpflichtet (§ 630a Abs. 1 BGB). Von einer Verrechnungsstelle spricht der Gesetzgeber nicht, so dass diese nicht in den Behandlungsvertrag eingebunden ist.
Sowohl berufsrechtlich (§ 9 Abs. 1 Musterberufsordnung Ärzte, § 7 Abs. 1 Musterberufsordnung Zahnärzte) als auch strafrechtlich (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) sind Sie als Zahnarzt oder Arzt jedem gegenüber hinsichtlich sämtlicher Informationen aus dem Behandlungsverhältnis zur Verschwiegenheit verpflichtet; die Schweigepflicht beginnt schon bei der Tatsache, dass eine Person überhaupt bei Ihnen in Behandlung ist und gilt auch gegenüber den engsten Familienangehörigen.
Aufgrund dieser gesetzlichen Ausgangssituation ist es unter Berücksichtigung des Datenschutzrechts (§ 4 Bundesdatenschutzgesetz) zwingend erforderlich, dass der Patient vor der Weitergabe von Informationen über die Behandlung an einen Dritten in diese Datenweitergabe einwilligt. Sollte diese Einwilligung nicht vorliegen und Behandlungs- bzw. Abrechnungsdaten an eine Verrechnungsstelle weitergegeben werden, würden Sie gegen das Berufs- und Strafrecht verstoßen und sich entsprechenden Sanktionen aussetzen.
Für die Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle folgt daraus zudem, dass die Abtretung des Anspruchs auf Begleichung der Behandlungskosten ohne die Einwilligung des Patienten nichtig ist (§ 134 BGB) und die Behandlungskosten weder außergerichtlich noch in einem gerichtlichen Verfahren von der Verrechnungsstelle gegen den Patienten durchgesetzt werden kann.
Rechtsprechung
Zahlreiche Gerichte haben sich mit den Voraussetzungen und Anforderungen an die Einwilligung eines Patienten in die Datenweitergabe und Abtretung des Anspruchs auf Begleichung der Behandlungskosten an eine Verrechnungsstelle befasst.
Auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben und der darauf aufbauenden Rechtsprechung werden die PVS-Einwilligungsformulare erstellt und regelmäßig an die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung angepasst.
Nachfolgend möchte ich Ihnen einige wesentliche Punkte vorstellen, die in Ihrem Praxisalltag zu berücksichtigen sind:
Welche Form muss die Einwilligung haben?
Eine stillschweigende oder mündliche Einwilligung des Patienten in die Datenweitergabe und Forderungsabtretung genügt nach der Rechtsprechung nicht; auch durch den Aushang entsprechender Informationen in der Praxis kann nicht von einem Einverständnis des Patienten ausgegangen werden.
Nach § 4a Abs. 1 Satz 3 Bundesdatenschutzgesetz muss die Einwilligung in die Erhebung und Weitergabe von Daten in „Schriftform“ eingeholt werden. Die Rechtsprechung hat diese Anforderung auch auf die Einwilligung des Patienten hinsichtlich der Datenweitergabe an ärztliche Verrechnungsstellen erstreckt.
„Schriftform“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Patient die ausgedruckte PVS-Einwilligungserklärung eigenhändig unterschreiben muss (§ 126 Abs. 1 BGB). Die Erteilung der Einwilligung kann demnach nicht in der Form erfolgen, dass der Patient beispielsweise auf einem Tablet mit dem Finger oder einem Tablet-Pencil die auf dem Bildschirm sichtbare Einwilligungserklärung (bspw. als pdf-Dokument) unterschreibt. Ausschließlich die elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz kann die eigenhändige Unterschrift auf der ausgedruckten Einwilligungserklärung ersetzen.
Gleiches gilt unter anderem auch hinsichtlich des Unterschriftserfordernisses bei Heil- und Kostenplänen (Teil 2), Mehrkostenvereinbarungen und Vereinbarungen über die Privatbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Patienten.
Zu welchem Zeitpunkt muss die Einwilligung vorliegen?
Im Idealfall wird dem Patienten die Einwilligungserklärung zu Beginn der Behandlung, beispielsweise mit Aushändigung des Aufnahme- und Anamnesebogens zum Unterschreiben vorgelegt. Durch das Unterzeichnen der Einwilligungserklärung zu diesem frühen Behandlungszeitpunkt erhalten Sie die größtmögliche Rechtssicherheit.
Spätestens jedoch, bevor Sie die Rechnungs- und Behandlungsdaten oder entsprechende Unterlagen an die Verrechnungsstelle übermitteln, muss die Einwilligung des Patienten in schriftlicher Form vorliegen.
Wer muss einwilligen?
Bei der Frage, wer die Einwilligung erteilen und das Einwilligungsformular unterschreiben muss, ist es leider – ebenso wie bei Heil- und Kostenplänen, Mehrkostenvereinbarungen, Vereinbarungen über Privatbehandlung etc. – notwendig, verschiedene Konstellationen zu unterscheiden:
Bei volljährigen und nicht unter Betreuung stehenden Patienten genügt es, wenn ausschließlich der Patient selbst die Einwilligungserklärung unterschreibt. Dies wird im Praxisalltag der Regelfall sein.
Sofern bekannt ist, dass der Patient unter Betreuung steht (Gesundheits- und Vermögenssorge), muss neben dem Patienten selbst, auch der Betreuer unterschreiben.
Wenn die Behandlungskosten nicht von dem Patienten, sondern von einem Dritten (bspw. Ehepartner, Freund, Angehöriger) getragen werden sollen („abweichender Rechnungsempfänger“), muss sowohl der Patient selbst, als auch die zur Zahlung verpflichtete Person die Einwilligung erteilen und das Formular unterschreiben.
Bei minderjährigen Patienten genügt bis zum Alter von ungefähr 12 bis 14 Jahren ausschließlich die von den Eltern unterschriebene Einwilligungserklärung. Wenn der Patient bereits 12 Jahre alt ist – spätestens mit 14 Jahren – müssen sowohl der minderjährige Patient selbst, als auch die Eltern das Einwilligungsformular unterschreiben.
Wie oft muss das Formular unterschrieben werden?
Die von der PVS Reiss GmbH verwendeten Einwilligungsformulare enthalten den Hinweis, dass die Einwilligung auch für zukünftige Behandlungs- und Abrechnungsmaßnahmen erteilt wird. Aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, dass der Patient bei jedem Besuch in der Praxis erneut das Einwilligungsformular unterzeichnet.
Dennoch ist es nicht zuletzt aufgrund der regelmäßigen Aktualisierung der Einwilligungsformulare sinnvoll, wenn der Patient zumindest alle zwei Jahre ein aktuelles Formular unterschreibt und damit sein Einverständnis nochmals bekräftigt.
Alles rechtssicher: Mit dem EWE-Erklärung!
Bei besonders wichtigen Änderungen der Einwilligungsformulare werden Sie gesondert von der PVS Reiss GmbH informiert.
Wie lange muss die Einwilligungserklärung aufbewahrt werden?
§ 630f Abs. 3 BGB, § 10 Abs. 3 Musterberufsordnung Ärzte und § 12 Abs. 1 Musterberufsordnung Zahnärzte geben eine Pflicht zur Aufbewahrung der Behandlungsdokumentation von zehn Jahren vor. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch die Einwilligungserklärung durch ein Gericht als Bestandteil der Behandlungsdokumentation qualifiziert wird, sollte jene ebenfalls zehn Jahre aufbewahrt werden.
Sollte der Patient jedoch den Vorwurf eines Behandlungsfehlers erheben und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen, empfehle ich dringend, die Behandlungsdokumentation – auch die Einwilligungserklärung – bis zur Klärung des Sachverhalts aufzubewahren. Die Höchstgrenze hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen sowie die längste gesetzliche Aufbewahrungspflicht für gewisse Dokumente beträgt 30 Jahre (u. a. § 199 Abs. 2 BGB, § 28 Abs. 3 Satz 1 Röntgenverordnung). Spätestens 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung kann somit auch die Einwilligungserklärung vernichtet werden.
Wie kann die Einwilligungserklärung archiviert werden?
Die aus rechtlicher Sicht sicherste Form der Aufbewahrung ist die Archivierung des Originals der Einwilligungserklärung. Dafür können Sie bei der PVS Reiss GmbH direkt auch entsprechende Ordner anfordern. Diese sind für Kunden der PVS Reiss GmbH kostenlos.
Es ist jedoch rechtlich auch zulässig, die ausgedruckte und von dem Patienten unterschriebene Einwilligungserklärung in digitaler Form zu archivieren. In diesem Fall muss jedoch nachweisbar der ordnungsgemäße Betrieb und Ablauf der Archivierung nach dem aktuellen Stand der Technik berücksichtigt werden. Ebenso wie bei der Behandlungsdokumentation in elektronischer Form, muss auch bei dem Einscannen von Originaldokumenten verhindert werden, dass nachträglich Änderungen werden können, die nicht als solche erkennbar sind (revisionssichere Dokumentation und Archivierung).
Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung hat jedoch das Original der Einwilligungserklärung einen höheren Beweiswert (Urkunde, § 416 ZPO) als eine eingescannte Einwilligungserklärung (Objekt des Augenscheins, § 371 Abs. 1 ZPO).
Unabhängig von der Art der Archivierung müssen die archivierten Unterlagen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets vollständig, verfügbar und lesbar sowie ordnungsgemäß sein.
Fazit
Abschließend ist somit festzustellen, dass die von dem Patienten vor Weitergabe der Behandlungs- und Rechnungsdaten unterschriebene Einwilligungserklärung eine essentielle Maßnahme zu Ihrem Schutz und der Entlastung Ihrer Praxisverwaltung darstellt.
Wenn Sie nähere Informationen zu dieser oder weiteren medizinrechtlichen Fragestellungen erhalten möchten, können Sie sich mit mir in Verbindung setzen. Gerne stehe ich Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss, Köln
Arndt Wienand, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht