Chairside-Leistungen
Extraorale zahntechnische Leistungen:
Erkennen – Kalkulieren – Liquidieren
„Chairside-Leistungen“ sind extraorale zahntechnische Leistungen, die Zahnärztinnen bzw. Zahnärzte oder Teammitglieder in der Umgebung des Behandlungsstuhles (engl.: chair) tagtäglich selbst erbringen, anstatt sie an einen Zahntechniker im praxiseigenen oder gewerblichen Labor zu delegieren.
Beispiel: Nach der Extraktion des Zahnes 17 hat der Zahnarzt eine Doppelarmklammer von der Metallbasis abgetrennt und den Bereich überarbeitet und geglättet. Dafür sieht die GKV ein Honorar von nur ca. 12,00 Euro (Bema-Nr. 106 sK) vor. Ganz anders gestaltet sich die Berechnung dieser Leistung nach der GOZ. Hier fällt für die Wiederherstellungsmaßnahme zunächst die GOZ-Nr. 5250 an. Dazu kommen die zahntechnischen Leistungen nach der beb-Nr. 8013 Grundeinheit, Instandsetzen einer Metallbasis, beb-Nr. 8045* Leistungseinheit: Abtrennen Klammer und je nach Aufwand die beb-Nr. 8123 Prothese säubern und polieren. Erhält ein zahntechnisches Labor diesen Auftrag, würde die Rechnung genauso aussehen. Erbringt der Zahnarzt diese Leistung selbst (Chairside) kann auch er diese Leistungen in Rechnung stellen. Ganz im Sinne des § 9 GOZ, nämlich tatsächlich entstanden und angemessen.
Bei einem Präsenz-Seminar stelle ich immer wieder gerne die Frage: „Wer von Ihnen hat ein Praxislabor?“ Darauf melden sich immer ca. die Hälfte der Teilnehmer und das sind i. d. R. alle, die einen angestellten Zahntechniker in ihrer Praxis haben. Wenn ich dann kontere: „Jeder hat ein „Praxis“-Labor, denn jeder von Ihnen erbringt tagtäglich zahntechnische Chairside-Leistungen“, sind wir auf dem richtigen Weg und es wird klar, dass jede Praxis berechtigt ist, tatsächlich erbrachte zahntechnische Leistungen in Rechnung zu stellen. Ein separates Eigenlabor, mit oder ohne einen angestellten Zahntechniker, ist dafür nicht erforderlich.
Das eigentliche „Problem“ ist, dass Chairside-Leistungen nicht immer erkannt und dokumentiert werden. Und jeder weiß, dass alles was nicht dokumentiert wurde, nicht stattgefunden hat und demzufolge auch nicht berechnet werden kann.
Unterscheidung zwischen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen
Bei allen Leistungen, die im Mund des Patienten durchgeführt werden, handelt es sich grundsätzlich um zahnärztliche Maßnahmen. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie die Farbauswahl nach den beb-Nrn. 0723 bis 0727* oder Testplättchen (verschiedene Allergietests für Werkstücke) nach den bebNrn. 1601 bis 1613. Alle anderen extraoral erbrachten zahntechnischen Leistungen werden entweder nach dem BEL oder gemäß § 9 GOZ (z. B. beb ‘97) berechnet.
Ganz deutlich wird dies, wenn Galvanokäppchen mit einem Tertiärgerüst verklebt werden sollen. Erbringt der Zahnarzt diese Leistung im Mund des Patienten, erfolgt die Berechnung gemäß § 6 Absatz 1 GOZ analog. Erfolgt die Verklebung extraoral auf einem Modell, wird der Vorgang nach der beb berechnet und zwar egal, ob der Zahnarzt oder ein Zahntechniker diese Leistung erbringt.
Betriebswirtschaftliche Kalkulation von Chairside-Leistungen nach § 9 GOZ
Neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind.
Weil es sich bei der Zahntechnik um sogenannte Handwerker-Leistungen handelt, gibt es für die Angemessenheit keine allgemeingültige Definition. Allerdings muss beachtet werden, dass neben Leistungen aus dem Bema die zahntechnischen Leistungen i. d. R. nach dem BEL und nur nach der regional vereinbarten Höchstpreisliste berechnet werden dürfen.
Bei zahntechnischen Leistungen, die auf Basis von GOZ-Leistungen entstehen, muss der Qualität eines Werkstücks ein gerechtfertigter Preis gegenüberstehen. Das gilt selbstverständlich auch für zahntechnische Chairside-Leistungen.
Zur betriebswirtschaftlichen Kalkulation sollte weiterhin berücksichtigt werden:
- Stundensatz
Dieser wird auf Grundlage der betriebswirtschaftlichen Situation der Praxis ermittelt. Personalkosten, Risiken, Gewinn, eigenes Einkommen und Betriebskosten müssen grundsätzlich berücksichtigt werden. - Arbeitszeit/Planzeit
- Rüst-/Verteilzeit
Ggf. kann für die Rüst- und Verteilzeit ein Aufschlag von ca. 20 – 30 % auf die Planzeit/Arbeitszeit ermittelt werden. Die Rüstzeit bezieht sich auf das Bereitlegen der Arbeitsmittel für das Ausführen eines einzelnen Arbeitsschrittes. Die Verteilzeit ist die zusätzlich zur Ausführung der Leistung erforderliche nicht eingesetzte Zeit. - Materialkosten
Geringe Materialkosten sollten mit in den Preis der jeweiligen beb-Nummer einkalkuliert werden. Hohe und individuelle Materialien können auch zusätzlich berechnet werden. - Risiko- und Gewinnzuschlag
Gemäß BGH-Urteil (Az. I ZR 60/22) vom 13.07.2023 dürfen Zahnärzte, die zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringen, einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil berechnen. Bei Chairside-Leistungen ist der Gewinnzuschlag ebenfalls berechnungsfähig, außer wenn im Stundensatz bereits ein Praxisgewinn kalkuliert wurde.
Der DAISY-bebRechner® ermöglicht eine blitzschnelle und individuelle Kalkulation zahntechnischer Leistungen (Abb. 1).
In diesem Beispiel (Abb. 1) wurde das Umarbeiten einer definitiven Krone bzw. einer definitiven Brücke zum Provisorium mit dem DAISY-bebRechner (© DIE DAISY) ermittelt. Wie bereits erwähnt, ist dabei ganz besonders auf den individuellen Stundensatz zu achten! Wird diese zahntechnische Leistung von einem Zahnarzt, also Chairside erbracht, kann der Stundensatz z. B. 380,00 Euro betragen. Bei einem Zahntechniker ggf. „nur“ ca. 120,00 Euro. Aus diesem Grund können die Preise für zahntechnische Leistungen extrem unterschiedlich ausfallen.
Diese Besonderheiten und vieles andere mehr, werden in unserem Chairside-Webinar bzw. Streaming-Video thematisiert und es ist immer wieder verblüffend, wie viele Chairside-Leistungen im Praxisalltag weder erkannt noch berechnet werden. Aus Erfahrung wissen wir, dass eine Praxis meist unter 50 Chairside-Leistungen erfasst hat. Dabei sind inzwischen über 110 derartiger Leistungen bekannt. Wenn Sie die Leistungen kennenlernen und zukünftig weniger Geld verschenken möchten, dann schauen Sie unter www.daisy.de einfach vorbei und melden sich gleich an.
* keine Original-beb-Nummer / siehe DIE DAISY
Sylvia Wuttig, B.A.
Geschäftsführende Gesellschafterin
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Aus dem Magazin:
Kundenmagazin up date 04/2024
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