Delegation in der Zahnarztpraxis
Einleitung:
Als Unternehmer, Zahnarzt können Sie nicht jede Aufgabe eigenhändig erledigen. Sie müssen lernen Tätigkeiten auf Ihr Personal zu übertragen, um sich Freiräume zu schaffen. Die Delegation in der Zahnarztpraxis ist hierbei ein wichtiges Führungsinstrument des Unternehmers, Zahnarztes, um die Rentabilität der Praxis zu steigern und die eigene Work-Life-Balance zu verbessern.
Unter dem Begriff Delegation versteht man eine Abordnung, eine Übertragung von Aufgaben auf einen anderen. Zu unterscheiden ist die Delegation zahnmedizinischer Tätigkeiten an zahnärztliches Hilfspersonal von der Delegation sonstiger Tätigkeiten. Bei zahnmedizinischen Tätigkeiten wird die Möglichkeit der Delegation durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt. Scheuen Sie sich hierbei nicht, die im Beitrag genannten Vorschriften nachzulesen. Diese sind grundsätzlich für den Bürger gemacht. Sie als Unternehmer sollten den Anspruch haben, die in Ihrem Berufszweig maßgeblichen Vorschriften zu verstehen.
Der vorliegende Beitrag geht zunächst auf die wichtigsten Grundsätze der Delegation zahnmedizinischer Tätigkeiten mit einigen Praxisbeispielen ein. Im Anschluss wird das Thema im Rahmen der sonstigen Delegation unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erörtert.
Delegation zahnmedizinscher Tätigkeiten
Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung
Grundsätzlich ist der Zahnarzt zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Dies ergibt sich sowohl aus dem zahnärztlichen Berufsrecht (§§ 1, 3, 5, 6 Zahnheilkundegesetz (ZHG), jeweiliger Landesberufsordnung) als auch aus den vertragszahnärztlichen Regelungen (§§ 15 Abs. 1, 28 SGB V, § 32 Abs. 1 Satz 1 Zahnärzte-ZV, § 4 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte, § 8 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte, Bema) und § 4 GOZ.
Dies bedeutet, dass der Zahnarzt grundsätzlich die zahnärztlichen Leistungen selbst zu erbringen hat und auch nur die persönlich erbrachten Leistungen ggü. dem Patienten bzw. der KZV abrechnen darf. Durchbrochen wird dieser Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung z.B. bei der Anstellung von Zahnärzten. Hier werden die Leistungen des angestellten Zahnarztes dem Praxisinhaber als quasi eigene Leistung zugerechnet.
Was darf delegiert werden?
Ebenfalls durchbrochen wird der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung durch die Möglichkeit der Delegation, u.a. geregelt in den §§ 1 Abs. 5 und 6 des ZHG. In diesen beiden Absätzen wird festgelegt, welche genauen Tätigkeiten vom Zahnarzt an die hierfür qualifizierte Helferin delegiert werden können (z.B. Herstellung von Röntgenaufnahmen, Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen, Füllungspolituren usw.). Durch das Wort insbesondere in dieser gesetzlichen Regelung wird klargestellt, dass die dort aufgezählten Tätigkeiten nicht abschließend sind. Demnach ist auch eine Delegation von weiteren Tätigkeiten möglich, welche nicht explizit in der Regelung benannt werden.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat durch Urteil klargestellt, dass auch andere Leistungen als die in §§ 1 Abs. 5 und Abs. 6 genannten delegiert werden können, sofern diese im Hinblick auf die Schwierigkeit und eine etwaige Gefährdung des Patienten mit denen im § 1 Abs. 5 und Abs. 6 ZHG vergleichbar sind. Welche Leistungen vergleichbar sind, ist immer im Einzelfall zu entscheiden. Dies führt natürlich zu einer Rechtsunsicherheit. Um dieser zu begegnen hat die Bundeszahnärztekammer einen Delegationsrahmen für zahnmedizinische Fachangestellte, welcher auf der Homepage der Bundeszahnärztekammer abrufbar ist, veröffentlicht. In diesem werden u.a. noch weitere, nicht in den §§ 1 Abs. 5 und Abs. 6 ZHG enthaltene, delegierbare Leistungen benannt.
An wen darf delegiert werden?
Auch die Qualifikation der Mitarbeiterin ist bei der Beurteilung, ob eine zulässige Delegation vorliegt, relevant. So kann z.B. der Dentalhygienikerin (DH) aufgrund der im Rahmen der Weiterbildung erlangten vertieften Kenntnisse weitergehende Tätigkeiten delegiert werden als der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZMF).
Beachten sollten Sie insbesondere, dass eine Delegation an Auszubildende nicht zulässig ist. Dies ergibt sich wiederum aus den Vorschriften der §§ 1 Abs. 5 und 6 ZHG.
Einzelfälle zur Delegation
Vorsicht ist geboten bei der Delegation von Anfertigung schwierigerer Funktionsabformungen v.a. bei Risikopatienten oder dem Messen der parodontalen Taschentiefen. Diese Tätigkeiten dürften nach der jetzigen Rechtslage (noch) nicht delegabel sein.
Die Aufklärung (Behandlungs-, Verlaufs- und Risikoaufklärung) an sich dürfte als einer der Kernbereiche der medizinischen Tätigkeit nicht delegabel sein. Denkbar ist, dass eine qualifizierte Mitarbeiterin allgemeine Hinweise erteilt wie z.B. zu den Themen Entstehung von Karies, Hinweise zum Zähneputzen oder ähnliches. Die Helferin ist natürlich zur Information über alle Tätigkeiten befugt, die ihr im Rahmen der Delegation übertragen werden können. Die Helferin muss jedoch durch geeignete Weiterbildungsmaßnahmen geschult werden.
Auch die sonstigen medizinischen Kernbereiche wie Untersuchungen, die Diagnose, die Indikation, die Erarbeitung eines Therapieplans sind nicht delegabel. Gerade also wenn es auf medizinisch-wissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, dürfte eine Delegation ausscheiden. Je schwieriger und gefährlicher die zu delegierende Tätigkeit für den Patienten ist, desto größer muss die Mitwirkung des Zahnarztes an dieser Tätigkeit sein.
Ist eine Tätigkeit nicht in §§ 1 Abs. 5, Abs. 6 ZHG oder im Delegationsrahmen enthalten, sollte eine Abklärung mit der jeweiligen Landeszahnärztekammer erfolgen.
Aufsichtspflicht und Anwesenheit des Zahnarztes
Im Rahmen der Delegation ordnet der Zahnarzt somit die konkrete Leistung an und erteilt die fachliche Weisung. Er scheidet aus dem delegierten Handlungsablauf nicht aus, sondern bleibt Verantwortungsträger. Der Zahnarzt muss hierbei im Rahmen seiner Aufsichtspflicht überwachen, ob seine Mitarbeiterinnen seine Anordnungen und Weisungen beachten, den festgelegten Rahmen nicht überschreiten und die Tätigkeit insgesamt ordnungsgemäß durchführen. Der Zahnarzt muss bei der Ausführung der Tätigkeiten der Helferin hierbei nicht immer in demselben Zimmer anwesend sein und ihr auf die Finger schauen. So ist es natürlich möglich, dass eine im Röntgen qualifizierte Kraft eigenständig Röntgenaufnahmen fertigt. Der Zahnarzt muss aber jederzeit persönlich zur Verfügung stehen, um bei Komplikationen oder Rückfragen eingreifen zu können. So ist z.B. der Betrieb eines „Prophylaxestudios“ ohne Zahnarzt unzulässig. Denkbar hingegen dürfte sein, dass die ZMF z.B. alleine außerhalb der Praxisräume (z.B. in einer Pflegeeinrichtung) bei prophylaktischen Maßnahmen tätig ist, sofern der Zahnarzt die oben genannten Voraussetzungen einhält. Diese Voraussetzung dürfte nur bei geringer Entfernung des Zahnarztes zum „Einsatzort“ gegeben sein.
Dentalhygienikerin als freie Mitarbeiterin
Aus der notwendigen Aufsichts- und Kontrollpflicht des Zahnarztes ergibt sich, dass bei der Delegation eine Weisungsgebundenheit des Mitarbeiters erforderlich ist. Folge ist, dass eine Zahnmedizinische Fachangestellte oder Dentalhygienikerin nach derzeitiger Rechtslage wohl nur im Anstellungsverhältnis beschäftigt werden kann und nicht im Rahmen einer freien Mitarbeiterschaft.
Diese Ansicht wird durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 01.03.2012 gestützt. Dem Urteil lag der Sachverhalt zu Grunde, dass eine Zahnmedizinische Fachangestellte ein eigenständiges Zahnkosmetikstudio neben ihrer Anstellung als ZMF betrieben hat. In diesem Studio hat sie eigenständig Zahnreinigung mittels Airflow angeboten. Das Gericht wertete diese Tätigkeit als unberechtigte Ausübung der Zahnheilkunde, welche den Zahnärzten vorbehalten ist. Die selbständige Tätigkeit der ZMF ist somit nicht möglich.
Auch werden diese Sachverhalte derzeit im Rahmen der Betriebsprüfungen von der Deutschen Rentenversicherung gezielt geprüft.
Risiken unzulässiger Delegation
Für den Zahnarzt:
Die Folge unzulässig delegierter Tätigkeiten ist, dass solche Leistungen nicht abgerechnet werden dürfen (Bema, GOZ). Wird dennoch abgerechnet, drohen Regresse seitens der Patienten sowie Honorarkürzungen bzw. –regresse seitens der KZV. Gegebenenfalls kann die Grenze zum strafrechtlich relevanten Abrechnungsbetrug überschritten werden. Zudem dürfte ein Verstoß gegen das Berufsrecht vorliegen mit der Gefahr berufsrechtlicher Sanktionen.
Auch zivilrechtlich kann es zu einer Haftung des Zahnarztes bei Fehlern kommen. Das Handeln der Helferin wird dem Zahnarzt gem. § 278 BGB zugerechnet. Dies bedeutet vereinfacht, dass die fehlerhafte Handlung als eigene Handlung des Zahnarztes gewertet wird. Vor dem Hintergrund, dass eine unzulässige Delegation vorliegt kann auch damit gerechnet werden, dass die Berufshaftpflichtversicherung eine Einstandspflicht ablehnt.
Bei der Beschäftigung von ZMF´s/DH´s im Rahmen einer freien Mitarbeit könnte zudem die Gefahr bestehen, dass eine als freie Mitarbeit angesetzte Tätigkeit aufgrund der notwendigen Abhängigkeit als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit eingestuft wird. Es kann dann zu erheblichen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen kommen.
Für die Zahnarzthelferin:
Für die Zahnarzthelferin besteht die Gefahr, dass sie sich nach § 18 ZHG strafbar macht. Hiernach wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Erlaubnis als Zahnarzt zu besitzen oder nach § 1 Abs. 2, § 14 oder § 19 zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigt zu sein. Auch eine zivilrechtliche Haftung bei fehlerhaften Tätigkeiten gegenüber dem Patienten ist denkbar.
Delegation sonstiger Tätigkeiten
Auch außerhalb der zahnmedizinischen Tätigkeiten stellt die Delegation ein wichtiges Führungsinstrument dar. So kann es z.B. sinnvoll sein das Thema Abrechnung weitestgehend auf eine hierfür qualifizierte Arbeitnehmerin zu übertragen. Deren vertieften Kenntnisse führen zu einer qualitativ besseren Abrechnung; auch quantitativ in Form von mehr Umsatz, da möglicherweise zusätzliche Positionen abgerechnet werden. Zeitgleich schaffen Sie sich Freiraum für andere Tätigkeiten.
Tätigkeiten können auch auf externe Dienstleister übertragen werden. Sie sollten bei der Übertragung von Tätigkeiten hierbei im Vorfeld berechnen, was dies für Sie in den Einheiten Zeit und Geld bedeutet. Ein Steuerbüro dürfte z.B. für die Bearbeitung der monatlichen Lohnbuchhaltung von 4 Mitarbeitern einen Zeitaufwand von ca. 45 Minuten benötigen. Bei Kosten von angenommen 15,00 € brutto pro Mitarbeiter entstehen bei 4 Mitarbeitern Kosten i.H.v. 60,00 €. Erledigen Sie als Zahnarzt die Lohnbuchhaltung selbst, dürfte ein Aufwand von mindestens einer Stunde entstehen. Bei einem täglichen Honorarumsatz von 2.000,00 € entspricht dies bei 8 Behandlungsstunden einem Stundenhonorar i.H.v. 250,00 €. Würden Sie also anstelle der Bearbeitung der Lohnbuchhaltung eine Stunde am Stuhl arbeiten, erzielen Sie ein Plus i.H.v. 190,00 € (250,00 € Stundenumsatz abzüglich Kosten des Steuerbüros).
Fazit
Sie sollten als Unternehmer in Ihrer Praxis nicht alles eigenhändig erledigen. Lernen Sie Aufgaben an qualifiziertes Personal zu delegieren. Hierbei sollten Sie alles, was Sie in Ihrer Zahnarztpraxis tun in der Einheit Zeit und in der Einheit Euro messen können. Durch Delegation können Sie einen Teil der Verantwortung auf Mitarbeiter übertragen und sich selbst entlasten. Hierdurch kann es dann auch zu einer Steigerung der Mitarbeitermotivation
kommen.
Schaffen Sie sich Freiraum, um in der vorhandenen Arbeitszeit weiteren Umsatz zu generieren oder Ihr Privatleben in Einklang zu bringen. Work-Life Balance ist gerade in Ihrem Beruf sehr wichtig, denn Ihre Gesundheit ist Ihr Kapital.
Falls Sie freie Mitarbeiter in der Praxis beschäftigen, sollte dies auf Zulässigkeit überprüft werden. In Bezug auf den sozialversicherungsrechtlichen Status der Arbeitnehmerin bietet sich in der Regel die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens an.
Haben Sie keine Angst vor Gesetzen. Sie müssen als Unternehmer den Anspruch haben die Gesetze zu verstehen. Die gesetzlichen Bestimmungen sind für den Bürger/Zahnarzt gemacht worden. Diese zu verstehen ist viel einfacher als Zahnmedizin.
Tipps und Tricks
Ist eine zahnärztliche Leistung delegierbar?
- Ist die Leistung in §§ 1 Abs. 5, Abs. 6 ZHG benannt? Wenn nein
- Ist die Leistung im Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer
enthalten? Wenn nein - Abstimmung mit der Landeszahnärztekammer / Fachkundigen Rat einholen
Wichtig: Lassen Sie sich die „Aussage der Kammer“ schriftlich bestätigen - Sorgen Sie im Rahmen des Qualitätsmanagements für eine Dokumentation im Bereich der Delegation
- Prüfen der Zulässigkeit von Freien Miarbeitern!
Vorsicht! Keine Delegation zahnärztlicher Tätigkeiten an Auszubildende!
Marco Gerstner, Fachanwalt für Medizinrecht
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