Die 7 häufigsten Fehler bei der IGeL-Abrechnung und wie sie zu verhindern sind
Fehler Nr. 1:
Es wird keine IGeL-Vereinbarung getroffen
Gemäß § 3 Abs. 1 und § 18 Abs. 8 Zi. 3 BMV-Ä; § 2 Abs. 11 und § 21 Abs. 8 Zi. 3 EKV besteht die Pflicht des Arztes, vor der Behandlung die schriftliche Zustimmung des in der GKV versicherten Patienten einzuholen. In dieser schriftlichen Zustimmung, sprich „IGeL-Vereinbarung“, stimmt der Patient seiner Pflicht zur Übernahme der Kosten für die geplante Behandlung/Diagnostik zu.
An oberster Stelle aber steht als Voraussetzung für die Erbringung einer individuellen Gesundheitsleistung der ausdrückliche Wunsch des Patienten (§ 18 Absatz 8 Ziffer 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä), § 21 Abs. 8 Ziffer. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV)). Das Landgericht Mannheim hat einem Arzt in seinem Urteil am 18.01.2008 (Az.: 1 S 99/07) den vollständigen Honoraranspruch aberkannt, weil dieser vor der operativen Behandlung auf eine schriftliche Zustimmung des Patienten verzichtet hatte.
Fehler Nr. 2:
Von der IGeL-Vereinbarung erhält der Patient keine Kopie
Gemäß § 630e Abs. 2 BGB (Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten) sind dem Patienten Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen. Das gilt auch für die IGeL-Vereinbarung.
Fehler Nr. 3:
Das Aushändigen der Kopie wird nicht quittiert
Wird die Kopie der IGeL-Vereinbarung dem Patienten überreicht, sollte man sich dies durch eine Unterschrift des Patienten bestätigen lassen, damit man im Streitfall die Übergabe auch beweisen kann. Ansonsten steht im Zweifelsfall Aussage gegen Aussage. Der Erhalt der Kopie kann z. B. unten auf der IGeL-Vereinbarung bestätigt werden.
Fehler Nr. 4:
Abrechnung von Pauschalhonoraren
Individuelle Gesundheitsleistungen müssen, wie alle anderen Leistungen außerhalb des EBM bzw. der UV-GOÄ, nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet werden [BGH, Urteil vom 23.03.2006, AZ III ZR 223/05]. Eine Pauschalabrechnung ist grundsätzlich nicht erlaubt.
Weitere Rechtsquellen:
GOÄ § 1 (1): “Die Vergütungen der beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.”
(Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – § 12 Honorar und Vergütungsabsprachen:
(1) „Die Honorarforderung muss angemessen sein. Für die Bemessung ist die Amtliche Gebührenordnung (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten.“
Fehler Nr. 5:
Unterschreitung der Gebührenrahmen der GOÄ
Um Patienten möglichst kostengünstige Leistungen anbieten zu können, werden bei der Abrechnung individueller Gesundheitsleistungen nicht selten die Gebührenrahmen der GOÄ unterschritten (< Abrechnungs-Faktor 1,0). Hier möchte man den Patienten einen Gefallen erweisen; jedoch handelt es sich tatsächlich um einen Verstoß gegen die Berufsordnung und unlauteren Wettbewerb. (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – § 12 Honorar und Vergütungsabsprachen: (1) „Ärztinnen und Ärzte dürfen die Sätze nach der GOÄ nicht in unlauterer Weise unterschreiten. Bei Abschluss einer Honorarvereinbarung haben Ärztinnen und Ärzte auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der oder des Zahlungspflichtigen Rücksicht zu nehmen.“ Die für die Abrechnung ärztlicher Leistungen möglichen Abrechnungsfaktoren wurden durch den Verordnungsgeber in der Gebührenordnung (GOÄ) nicht nur nach oben hin begrenzt, sondern auch nach unten „abgeriegelt“. Diese Begrenzung nach unten soll den Ärzten ein bestimmtes Honorar stets zusichern und unlauteren Wettbewerb verhindern. Gebührenrahmen in der GOÄ:
Ärztliche Leistungen Faktor 1,0 – 3,5
„Technische Leistungen“
Abschnitte A, E und O Faktor 1,0 – 2,5
Laborleistungen Faktor 1,0 – 1,3
Fehler Nr. 6:
Überschreitung der Schwellenwerte der GOÄ ohne Begründung
Werden die Schwellenwerte der GOÄ bei der Abrechnung von individuellen Gesundheitsleistungen überschritten, so muss hierfür ein individueller, auf die einzelne Leistung und auf den Patienten bezogener Grund
vorliegen. Da die GOÄ die Abrechnungsgrundlage bildet, gelten für die Wahl des Abrechnungsfaktors die Bemessungskriterien gem. § 5 (2) GOÄ:
- Schwierigkeit bei der Leistungserbringung
- Zeitaufwand
- Umstände bei der Ausführung
- Schwierigkeit des Krankheitsfalles (nur bei ärztlichen Leistungen)
Schwellenwerte in der GOÄ:
Ärztliche Leistungen Faktor 2,3
„Technische Leistungen“
Abschnitte A, E und O Faktor 1,8
Laborleistungen Faktor 1,15
Fehler Nr. 7:
Es wird keine Rechnung ausgestellt
Weit verbreitet ist die Fehlannahme, dass für individuelle Gesundheitsleistungen keine Rechnung an den Patienten ausgestellt werden muss, denn schließlich sind in der IGeL-Vereinbarung alle Leistungen mit den entsprechenden GOÄ-Nummern und den jeweiligen Beträgen aufgeführt.
Tatsächlich aber entsteht der Honoraranspruch gegenüber dem Patienten erst nach der Ausstellung und Aushändigung einer Rechnung. Die Rechnung hat dabei die formellen Anforderungen gem. § 12 Abs. 2 bis 4 zu erfüllen, damit sie fällig wird [Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) am 21. Dezember 2006 Az: III ZR 117/06]. Unter anderem ist darauf zu achten, dass die Begründung bei einer Überschreitung des Schwellenwertes in der Rechnung aufgeführt werden muss.
Tipp
Erleichtern Sie sich Ihren Praxisalltag!
Jetzt spätestens ist deutlich, dass auch bei der Abrechnung von IGeLn auf eine GOÄ-konforme Rechnungslegung nicht verzichtet werden darf.
Vielleicht könnte es Ihren Praxisalltag erleichtern, wenn Sie von der zeitaufwendigen Führung einer Bar-Kasse in der Praxis auf eine postalische Rechnungszustellung zusammen mit den Rechnungen der privatversicherten Patienten und mit Zahlung per Banküberweisung umstellen?!
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Kundenmagazin up date 01/2020
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