Die Behandlung von Patienten aus dem Ausland

Die Behandlung von Patienten aus dem Ausland

Ausländer können unter verschiedenen Umständen zu Patienten werden: Als Flüchtlinge/Asylbewerber, Zuwanderer, Reisende (Touristen oder Geschäftsreisende) oder sogar als Medizintouristen, die ganz bewusst zur Inanspruchnahme einer medizinischen Behandlungsleitung nach Deutschland kommen. Doch worauf ist bei der Behandlung von Patienten aus dem Ausland zu achten und wonach richtet sich die Vergütung und Kostenerstattung?

I. Sprachbarriere und Dolmetscherkosten
Patienten aus dem Ausland haben zwar keinen gesetzlichen Anspruch auf eine muttersprachliche Behandlung – allerdings hat der Behandler sicherzustellen, dass der (ausländische) Patient die Aufklärung tatsächlich verstanden hat. Durch die Aufklärung muss gewährleistet werden, dass der Patient aus dem Ausland gegebenenfalls trotz Verständigungsschwierigkeiten ein zutreffendes Bild von der Schwere und Richtung des konkreten Risikospektrums erhält. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe können hinzukommen, die im Aufklärungsgespräch zu berücksichtigen sind. Die Beweislast für eine rechtmäßige Einwilligung des Patienten in den Eingriff nach ordnungsgemäßer Behandlungsaufklärung trägt der Arzt (§ 630 h Abs. 2 BGB). Fehlt es an einem ausreichenden Sprachverständnis beim Patienten, so muss der Arzt – von Notfällen abgesehen – die Behandlung ablehnen oder für eine Übersetzung durch Hinzuziehung eines Dolmetschers sorgen. Anfallende Dolmetscherkosten sind grundsätzlich vom gesetzlich oder privat Krankenversicherten selbst zu tragen, sofern nicht im Einzelfall eine Verpflichtung zur Kostenübernahme durch einen Sozialleistungsträger besteht. Der Patient ist jedoch vorab nachweisbar auf die Kosten in verständlicher Form hinzuweisen.

II. Kostenübernahme und Kostenaufklärung

Gesetzlich krankenversicherte EU-Bürger

a. Ungeplante Behandlungen
Nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04 und Verordnung 978/2009 sind Patienten nach den Regeln des Behandlungsstaates zu versorgen. Sachleistungen werden im Umfang des Behandlungsstaates gewährt – der Patient ist so zu behandeln als wäre er im entsprechenden Staat versichert. Der Leistungsumfang gilt für alle Leistungen einer Behandlung, die nicht bis zur Rückkehr des Patienten aufzuschieben sind. Geldleistungen werden hingegen im Umfang des Versicherungsstaates gewährt, können aber seitens der zuständigen Kostenträger mit den gewährten Sachleistungen verrechnet werden.

b. Geplante Behandlungen
Laut Richtlinie 2011/24/EU dürfen Patienten aus der EU auch geplante medizinische Behandlungen im EU-Ausland nachfragen. Der zuständige Sozialleistungsträger hat dem Patienten jedoch nur die medizinischen Leistungen zu erstatten, die auch im Inland von den zuständigen Kostenträgern erstattet werden und dabei maximal zu den im Versicherungsstaat geltenden Sätze (abzüglich gegebenenfalls höherer Verwaltungskosten). Eine mögliche Differenz zwischen Kosten im Behandlungsstaat und dem Erstattungsbetrag im Versicherungsstaat hat der Versicherte selbst zu tragen. Ambulante Behandlungen dürfen ohne Vorabgenehmigung des jeweiligen Kostenträgers im Ausland erfolgen – stationäre Behandlungen sowie Behandlungen, die den „Einsatz einer hoch spezialisierten und kostenintensiven medizinischen Infrastruktur oder medizinischen Ausrüstung erfordern“ (s. RL 2011/24/EU, Art. 8, Abs. 2), stehen mit dem Hinweis auf das Allgemeininteresse jedoch unter Genehmigungsvorbehalt. Ist insoweit eine Kostenerstattung durch Dritte nicht gesichert, hat der (Vertrags-)Arzt den Patienten mindestens in Textform über die Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten zu informieren (§ 630c Abs. 3 BGB).

Privat oder nicht krankenversicherte Patienten

Sind ausländische Patienten privat oder gar nicht versichert richtet sich die Vergütung gemäß §§ 630a Abs. 1, 630b BGB i.V.m. §§ 611 Abs. 1 2. Halbsatz, 612 Abs. 2 BGB nach den Vorschriften der GOÄ/GOZ als gesetzlicher Taxe. Ist eine Kostenerstattung durch Dritte nicht gesichert, hat der Arzt den Patienten mindestens in Textform über die Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten zu informieren (§ 630c Abs. 3 BGB).

Asylsuchende

Bei Asylsuchenden richten sich die Leistungen für die medizinische Behandlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG):

a. Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG
Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG, die sich bereits seit 15 Monaten ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten, sind gemäß § 264 SGB V den gesetzlich Krankenversicherten leistungsrechtlich gleichgestellt. Hier ergeben sich keine Besonderheiten oder Einschränkungen des Behandlungsumfangs gegenüber der GKV. Dieser Personenkreis verfügt über eine Gesundheitskarte (eGK) einer gesetzlichen Krankenkasse.

Die Abrechnung erfolgt zu Lasten des auf der eGK angegebenen Kostenträgers. Dolmetscherkosten können im Einzelfall nach § 73 SGB XII vom Sozialleistungsträger zu übernehmen sein, wenn es in der konkreten Behandlungssituation zwingend erforderlich ist, zur hinreichenden Durchführung der jeweiligen Beratungs- und Aufklärungsleistung einen Dolmetscher hinzuzuziehen.

Dabei ist der Sozialleistungsträger bei zwingendem Bedarf im Wege der Ermessensreduzierung auf null verpflichtet, die Kosten für den Dolmetschereinsatz zu übernehmen. Es empfiehlt sich, dies direkt vor Einschaltung des Dolmetschers mit der Behörde abzustimmen.

b. Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG
Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG sowie Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, haben nur einen eingeschränkten Anspruch auf Gesundheitsversorgung. Die zu erbringenden Leistungen sind gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG auf die Behandlung zur Behebung eines akuten Krankheitszustandes, zur Abwendung von erheblichen Gesundheitsschäden bzw. zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit sowie erforderliche Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen beschränkt.

Bei der (Erst)-Inanspruchnahme muss in der Regel ein Originalbehandlungsschein der zuständigen Behörde vorgelegt werden, es sei denn, der Patient verfügt über eine Gesundheitskarte aufgrund einer Rahmenvereinbarung des jeweiligen Bundeslandes nach § 264 Abs. 1 SGB V.

Dolmetscherkosten können nach § 6 Absatz 1 AsylbLG von der Leistungsbehörde zu übernehmen sein, wenn die Hinzuziehung eines Dolmetschers im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich ist (vgl. BT-Drucksache 18/2184, S. 10)

Oliver Graf
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
Partnerschaftsgesellschaft mbB
www.kanzlei-sgbr.de


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