Familienrechtliche Aspekte für selbstständige Ärzte
Was bei der Wahl des Güterstands zu beachten ist
Als Arzt in selbstständiger Praxis sind Sie nicht nur mit medizinischen, sondern auch mit rechtlichen Herausforderungen konfrontiert. Hierbei wird häufig außer Acht gelassen, dass neben den Rechtsbereichen, die in der täglichen Praxis relevant werden, wie Fragen der Abrechnung, Gestaltung von Behandlungsverträgen oder auch Datenschutzrecht, insbesondere auch familienrechtliche Aspekte erheblich Auswirkungen haben könne. Anders als vielleicht anzunehmen ist, kann das Familienrecht nicht nur das Privatleben betreffen, sondern auch die Praxis. Wohl unter anderem die erheblichsten Auswirkungen, können sich aus dem Güterrecht ergeben.
I. Güterrecht – Was ist das?
Im deutschen Güterrecht gibt es drei Güterstände:
• Zugewinngemeinschaft §§ 1363 ff. BGB
• Gütertrennung § 1414 BGB
• Gütergemeinschaft §§ 1415ff BGB
Durch den Güterstand ist festgelegt, wie im Fall der Beendigung der Ehe, beispielsweise durch Tod oder durch Scheidung, das Vermögen und bestehende Schulden zuzuordnen sind. Der häufigste Fall ist die Zugewinngemeinschaft, da diese der gesetzlich vorgegebene Güterstand ist. Vereinbaren die Eheleute nichts Abweichendes, leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
II. Die Zugewinngemeinschaft und der Zugewinnausgleich
In der Zugewinngemeinschaft bleibt, ebenso wie bei der Gütertrennung, jeder Partner Eigentümer seines bisherigen Eigentums. Durch die Hochzeit wird der Ehepartner nicht Miteigentümer. Im Fall einer Scheidung wird jedoch der Wertzuwachs, also der Zugewinn, ausgeglichen.
Der Zugewinnausgleich soll dafür sorgen, dass jeder Partner von dem Vermögenszuwachs profitiert, den die Partner während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet haben. Der Zugewinnausgleich wird berechnet, indem man das Anfangsvermögen und das Endvermögen jedes Partners vergleicht.
- Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, das jeder Partner zu Beginn der Ehe am Tag der Hochzeit hatte.
- Das Endvermögen ist das Vermögen, das jeder Partner zum Zeitpunkt der Beendigung der Ehe am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags hatte.
- Der Zugewinn ist die Differenz zwischen dem Endvermögen und dem Anfangsvermögen.
Der Partner, der einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss die Hälfte der Differenz zwischen seinem Zugewinn und dem Zugewinn des anderen Partners an diesen als Ausgleichsbetrag auszahlen.
Als selbstständiger Arzt fließt der Wert der Praxis in die Berechnung des Zugewinns ein. Der Zugewinnausgleich ist stichtagsbezogen und die Bewertung erfolgt, sofern keine abweichende Vereinbarung erfolgt ist, konkret und ausschließlich zu den oben genannten Zeitpunkten.
Die Bewertung einer Arztpraxis richtet sich nach verschiedenen Faktoren wie dem Substanzwert aber auch dem Standort, der Lage, dem Ruf und der Konkurrenzsituation. Es werden also sowohl materielle als auch immaterielle Werte („Goodwill“) berücksichtigt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) wendet zur Ermittlung des Werts die sogenannte „modifizierte Ertragswertmethode“ an (vgl. Urteil vom 9. Februar 2011, Az: XII ZR 40/09). Der Wert wird anhand dieser Methode von einem Sachverständigen ermittelt. Die Bewertung einer Arztpraxis ist oft komplex und kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, welche Methode man verwendet und welche Annahmen man trifft.
Die Zugehörigkeit der Praxis zum Zugewinn, kann daher nicht nur für den Arzt selbst, sondern auch für die gesamte Familie und auch die Mitarbeiter zu einer erheblichen Unsicherheit und einem stets zu beachtenden Risiko führen. Im Zweifel müsste die Praxis, sofern keine weiteren liquiden Mittel zur Verfügung stehen, verwertet werden, um den Zugewinnausgleichsanspruch des Ehepartners zu erfüllen.
III. Welche Regelungsmöglichkeiten gibt es?
Es ist daher ratsam, frühzeitig über mögliche Regelungen nachzudenken und solche festzuhalten, zum Beispiel durch einen Ehevertrag. Nur so kann sichergestellt werden, dass Sie und Ihre Praxis auch in persönlich oder beruflich schwierigen Zeiten gut aufgestellt sind. Ein Ehevertrag kann zu jedem Zeitpunkt geschlossen werden, also vor der Eheschließung, während der Ehe aber auch im Rahmen einer Trennungsoder Scheidungsfolgenvereinbarung nach bereits erfolgter Trennung oder Scheidung. Zu beachten ist, dass gewisse Regelungen, wie z.B. die Regelung des Güterstandes vor rechtskräftiger Scheidung der notariellen Beurkundung bedürfen.
Inhaltlich besteht im Güterrecht eine weitgehende Regelungsfreiheit, da dieses, anders als andere Scheidungsfolgen, nicht in den sogenannten „Kernbereich der Scheidungsfolgen“ fällt. Grenze der Regelungsmöglichkeit ist die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten durch die getroffene Vereinbarung.
Angesichts der bereits aufgezeigten Folgen ist daher in jedem Fall sinnvoll zu hinterfragen, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Regelung auch für den eigenen Lebensentwurf passend ist und zu einem fairen Ergebnis für beide Ehepartner führt. Eine vom Gesetz abweichende Regelung kann notwendig sein, um sich selbst und die aufgebaute Existenz, seine Mitarbeiter und ggf. Praxispartner sowie seine Familie bestmöglich abzusichern.
Die Wahl des Güterstandes hat auch Auswirkungen auf die gesetzlichen Erbteile, die bei einer Vereinbarung immer berücksichtigt werden sollten. Auch etwaig bestehende Gesellschafterverträge sollten stets im Blick behalten werden.
TIPP:
Besteht der Regelungswunsch beispielweise darin, dass entweder die gesamte Praxis oder ein gewisser Wert der Praxis nicht berücksichtigt werden soll, es aber ansonsten bei den Regelungen, die der Gesetzgeber zum Zugewinnausgleich getroffen hat, bleiben soll, kann eine sogenannte modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart werden. Selbstständige Ärzte und Ärztinnen sollten sich frühzeitig über eine interessengerechte Vereinbarung beraten lassen.
Janina Franz
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
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