Kein Zahlungsanspruch ohne Unterschrift – oder doch?
Inhalts- und Formvorschriften bei Heil- und Kostenplänen
Grundsatz:
Bei zahnmedizinisch nicht notwendigen Leistungen muss ein detaillierter HKP vor Behandlungsbeginn von Patient und Zahnarzt unterschrieben werden.
Ausgangssituation
Nach § 2 Abs. 3 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) kann ein Zahnarzt Leistungen erbringen, die über das zahnmedizinisch Notwendige im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ hinausgehen; er muss in einem solchen Fall jedoch vor Behandlungsbeginn einen detaillierten schriftlichen Heil- und Kostenplan (HKP) erstellen und den HKP sowohl selbst unterzeichnen, als auch von dem Patienten unterschreiben lassen. Der HKP muss zudem die einzelnen Leistungen und Vergütungen sowie die Feststellung enthalten, dass es sich um Verlangensleistungen handelt und eine Erstattung möglicherweise nicht gewährleistet ist.
Ohne das Einhalten der gesetzlichen Schriftform ist der HKP und somit der Zahlungsanspruch gegen den Patienten nichtig und kann grundsätzlich nicht gerichtlich durchgesetzt werden. Neben § 2 Abs. 3 GOZ nennen auch § 87 Abs. 1a Satz 3 SGB V in Verbindung mit Anlage 3 BMV-Z bzw. Anlage 4 EKV-Z bei der Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten mit Zahnersatz die Pflicht zur Erstellung eines detaillierten HKP vor Behandlungsbeginn. Diese Pflicht hat nunmehr auch der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 03.11.2016, Az. III ZR 286/15, nochmals betont. Der BGH hat jedoch eine Ausnahme von den strikten gesetzlichen Form- und Inhaltsvorschriften zugelassen und dem betroffenen Zahnarzt dennoch einen Vergütungsanspruch zugesprochen:
Sachverhalt
Eine gesetzlich krankenversicherte Patientin suchte einen Zahnarzt zur Vornahme von zahnprothetischen Leistungen auf. Daraufhin erstellte der Zahnarzt einen HKP, dessen Teil 2 zusätzliche, zahnmedizinische nicht notwendige Arbeiten (mehrflächige Keramikverblendung sowie eine keramikverblendete Krone mit Geschiebe als Halterung) enthielt. Der Teil 2 des HKP nannte einen voraussichtlichen Eigenanteil der Patientin in Höhe von 6.838,52 €. Daneben erstellte der Zahnarzt einen weiteren HKP, der lediglich zahnmedizinisch notwendige Arbeiten enthielt.
Bei der Aushändigung des HKP wies die Zahnmedizinische Fachangestellte die Patientin ausdrücklich darauf hin, dass der HKP – insbesondere der Teil 2 – von der Patientin unterschrieben werden muss.
Daraufhin ließ die Patientin ausschließlich den HKP, der den voraussichtlichen Eigenanteil in Höhe von 6.838,52 € auswies, von ihrer GKV genehmigen, unterschrieb den HKP jedoch nicht und gab den nicht von ihr unterschriebenen HKP in der Praxis ab. Die fehlende Unterschrift wurde in der Zahnarztpraxis aufgrund eines leichten Büroversehens nicht bemerkt, so dass im Vertrauen auf einen ordnungsgemäßen HKP mit der komplikationslos verlaufenden Behandlung begonnen wurde.
Nach Abschluss der Behandlung stellte der behandelnde Zahnarzt der Patientin den angefallenen Eigenanteil der Behandlungskosten in Höhe von 3.860,30 € in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte auch nach mehrmaliger Mahnung nicht, so dass der Zahnarzt die Zahlungsklage erhob.
Entscheidung
Überraschenderweise sprach der BGH – entgegen der vorherigen Entscheidung
des Berufungsgerichts – dem Zahnarzt einen Zahlungsanspruch
in Höhe von 3.860,30 € zu.
Keine wirksame Honorarvereinbarung
Der Zahnarzt und die Patientin haben keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen, da der HKP nicht der Form des § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ genügt und deshalb nichtig ist.
Keine anderweitigen Ansprüche des Zahnarztes
Auch anderweitige rechtliche Ansprüche auf Ersatz der Behandlungskosten stehen dem Zahnarzt in einem solchen Fall aufgrund des Schutzzwecks der Formvorschrift nicht zu.
Verstoß gegen Grundsatz von Treu und Glauben
Soweit war die Entscheidung des BGH absehbar. Nun folgt jedoch die überraschende und als spezialgelagerte Ausnahme zu wertende Wende, die keinesfalls auf jeden Fall zu übertragen ist:
Nach Ansicht des BGH verstößt das Berufen der Patientin auf die Formunwirksamkeit des HKP gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben. Dabei betont das Gericht jedoch, dass der Formmangel eines Rechtsgeschäfts nur ausnahmsweise unbeachtlich ist.
Eine solche Ausnahme liegt nur dann vor, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft an dem Formmangel scheitern zu lassen. Eine besonders schwere Treuepflichtverletzung kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn eine Partei in schwerwiegender Weise gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen hat, etwa dadurch, dass sie die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem sie über längere Zeit die Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen hat.
Ein solcher Fall liegt hier vor: Die Patientin wurde umfassend und nachweisbar über die gesamte Behandlung sowie die damit zusammenhängenden Kosten aufgeklärt. In Kenntnis der von ihr selbst voraussichtlich zu tragenden Behandlungskosten hat sie sich für die kostspielige Behandlung entschieden und nur den dementsprechenden HKP von ihrer GKV genehmigen lassen. Anschließend hat sie die genehmigte Behandlung vornehmen lassen. Erstmals nach Abschluss der Behandlung, nachdem die Patientin sämtliche Vorteile aus der zahnärztlichen Versorgung in Anspruch genommen hatte, hat sie sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen.
Schutzzweck des Unterschrifterfordernisses erfüllt
Der mit der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 GOZ verfolgte Zweck (Schutz des Patienten vor einer übereilten Bindung, Information des Patienten über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten) wurde in nachgewiesener Weise durch die zahnmedizinische und wirtschaftliche Aufklärung sowie durch die Erstellung und Aushändigung des HKP umfassend erfüllt.
Nur weil der Zahnarzt sowie sein Praxispersonal den Formmangel aufgrund eines geringfügigen Büroversehens (leichte Fahrlässigkeit) nicht bemerkten und auf die Formgültigkeit vertrauten, verstößt das Verhalten der Patientin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Hätte die Zahnarztpraxis den Formmangel gekannt oder grob fahrlässig nicht erkannt und dennoch die Behandlung vorgenommen, wäre die Zahlungspflicht der Patientin jedoch entfallen.
Zusammenfassung
Bei der Zahnersatzversorgung sind die medizinische und wirtschaftliche Patientenaufklärung detailliert und verständlich zu dokumentieren sowie die gesetzlichen Form- und Inhaltsvorschriften strikt zu beachten, um den Zahlungsanspruch gegen den Patienten gerichtlich durchsetzen zu können. Nur so kann in einem Streitfall die erforderliche Aufklärung rechtssicher nachgewiesen und verhindert werden, dass Sie auf den Behandlungskosten sitzen bleiben.
Gleiches gilt auch für die Füllungstherapie (schriftliche/unterschriebene Mehrkostenvereinbarung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V) und die ausschließliche Privatbehandlung bei GKV-Patienten (schriftliche/unterschriebene Vereinbarung, § 4 Abs. 5d BMV-Z bzw. § 7 Abs. 7 EKV-Z).
Der BGH betont ausdrücklich, dass nur in Ausnahmefällen unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens von Treu und Glauben das Einhalten der Inhalts- und Formvorschriften entbehrlich sein kann. Eine regelmäßige Schulung des Praxispersonals sowie die Verwendung der jeweils aktuellen amtlichen Muster helfen zudem diesbezügliche Fehler und Versäumnisse zu vermeiden.
Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss, Köln
Arndt Wienand, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
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