Gerichtlich entschieden und bestätigt: Pauschalbegründungen sind nicht erlaubt!
Keine „Einheitsbegründung“ für die komplette Rechnung
Mit Urteil vom 20.04.2016 (Az. 6t A 2817/13.T) hat das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass die Abrechnung sowohl ärztlicher als auch „technischer“ Leistungen durchweg zum Höchstfaktor (3,5 bzw. 2,5) und unter Angabe immer gleicher und pauschaler Begründungen nicht zulässig ist.
Der Fall
Der abrechnende Arzt hatte die Überschreitung der Schwellenwerte sowohl bei operativen als auch bei konservativen Leistungen in mehreren Fällen wie folgt begründet: „zeitaufwendige Untersuchung und Beratung aufgrund des komplexen Krankheitsbildes“ bzw. „erhöhter Aufwand bei komplexem Krankheitsbild“ und „überdurchschnittliche ärztliche Qualifikation“.
„Qualifikationszuschläge“ nicht erlaubt
Zudem stellte das Gericht fest, dass eine Überschreitung der Schwellenwerte nicht mit einer „überdurchschnittlichen ärztlichen Qualifikation“ begründet werden darf. Aus welchen Gründen eine ärztliche bzw. technische Leistung oberhalb der Schwellenwerte abgerechnet werden kann, ist eindeutig im § 5 (2) GOÄ geregelt:
- Schwierigkeit
- Zeitaufwand
- Umstände bei der Ausführung
- Schwierigkeit des Krankheitsfalls
(gilt nur für ärztliche Leistungen, nicht für technische)
Ein Blick in die GOÄ lohnt sich
Dass eine Rechnung nicht pauschal mit Höchstsätzen „überzogen“ und unter Angabe einer Pauschalbegründung erstellt werden darf, ergibt sich bereits aus § 5 (2) der GOÄ. Dort ist von der Bestimmung der Gebühren unter Berücksichtigung von „Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistung … nach billigem Ermessen“ die Rede. Ein weiterer Hinweis findet sich im § 12 (3) GOÄ:
„Überschreitet eine errechnete Gebühr … das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen; das gleiche gilt … wenn das 1,8fache des Gebührensatzes überschritten wird,…“.
Fazit: Eine Begründung bei Überschreitung des Schwellenwertes sollte stets auf die einzelne Leistung und individuell auf den jeweiligen Patienten „zugeschnitten“ sein.
Die Strafe in Höhe von 7.000 Euro, die das Berufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wegen schuldhafter Verletzung der Berufspflicht im April 2016 gegen den Mediziner verhängt hatte, wäre vermeidbar gewesen.
Neben der Beachtung bzw. Erfüllung der Vorschriften aus den §§ 5 (2) und 12 (3) der GOÄ hätte alternativ dazu eine Abweichende Vereinbarung gem. § 2 GOÄ (ugs. „Honorarvereinbarung“) mit den jeweiligen Patienten geschlossen werden können. Hierbei wird vor der Behandlung eine abweichende Gebührenhöhe mit dem Patienten vereinbart, die in einem Schriftstück und nach persönlicher Absprache zwischen Arzt und Patient im Einzelfall festgelegt wird. Abrechnungsgrundlage bleibt auch hier nach wie vor die GOÄ. Eine Pauschalabrechnung ist nicht erlaubt.
Das muss die „Honorarvereinbarung“ enthalten
- Namen der beiden Vertragspartner
- Nummer und Bezeichnung der Leistung
- Steigerungssatz
- Vereinbarter Betrag
- Feststellung, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist
- Unterschriften von Arzt und Patient
Wichtig: Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten.
Der Arzt hat dem Zahlungspflichtigen einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen.
Autorin: Gerda-Marie Wittschier
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Kundenmagazin up date 01/2017
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