Minderjährige Patienten – wer zahlt???
Das Behandlungsverhältnis ist juristisch als überaus komplexes Vertragsverhältnis zu bewerten, was sich nicht zuletzt auch in einem hohen Verwaltungsaufwand des Arztes niederschlägt. Geht es um die Behandlung von Minderjährigen, so ist dieser Verwaltungsaufwand unzweifelhaft noch höher.
Gerade auch deshalb nehmen viele Arztpraxen die Dienstleistungen einer Verrechnungsstelle in Anspruch und treten ihre Honorarforderungen ab. Um den Honoraranspruch später erfolgreich durchsetzen zu können, sind jedoch seitens des Arztes noch vor der Datenübermittlung an die Verrechnungsstelle einige Fragen von essentieller Bedeutung zu klären. Diese sollen hier in Grundzügen dargestellt werden. Letztlich wird es immer eine Frage des konkreten Einzelfalles bleiben, ob eine Honorarforderung erfolgreich durchgesetzt werden kann.
Klären Sie vorab, wer Kostenschuldner Ihrer ärztlichen Honorarforderung sein wird!
Wer Kostenschuldner einer ärztlichen Leistung ist, hängt grundsätzlich von der individuellen vertraglichen Abrede ab. Grundsätzlich muss derjenige zahlen, der Vertragspartner des Arztes wird. Kinder bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres sind nicht geschäftsfähig, mit ihnen geschlossene Verträge sind generell unwirksam (§§ 104, 105 BGB). Diese Kinder können daher auch niemals Kostenschuldner einer ärztlichen Honorarforderung sein. Minderjährige ab einem Alter von sieben Jahren sind beschränkt geschäftsfähig. Dies bedeutet für den Abschluss eines Vertrages, dass der Minderjährige diesen zwar selbst abschließen kann, die Wirksamkeit jedoch von der Einwilligung oder der nachträglichen Genehmigung des gesetzlichen Vertreters – in der Regel beide Elternteile – abhängig ist (§§ 106 ff. BGB). Liegen die Voraussetzungen vor, kann grundsätzlich auch der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige Kostenschuldner einer Honorarforderung sein.
Dies ist in der Praxis doch nur ganz selten der Fall. Meist ist der gesetzliche Vertreter des Kindes Vertragspartner des Arztes, der Minderjährige erhält lediglich einen Anspruch gegen den Arzt auf dessen Leistungen ohne selbst Kostenschuldner zu sein (sog. Vertrag zugunsten Dritter).
Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der das Kind begleitende Elternteil mit dem Arzt den Vertrag zugunsten des Kindes abschließt. Dieser ist dann auch Kostenschuldner der Honorarforderung. Sind die Eltern miteinander verheiratet, besteht auch die Möglichkeit, dass die Eltern gemeinsam dem Arzt gegenüber als Gesamtschuldner haften. Da der Arzt in der Regel keine Einblicke in die Familienverhältnisse hat, ist eine sorgfältige Sozialanamnese und Dokumentation empfehlenswert.
Vertraglich vereinbart werden kann auch, dass ein Dritter – nicht Anwesender – Kostenschuldner werden soll. In diesem Fall schließt der Begleiter des Minderjährigen den Vertrag als Vertreter des späteren Kostenschuldners. Besonders in diesen Fällen ist eine sorgfältige Dokumentation und bestenfalls schriftliche Vereinbarung von besonderer Bedeutung. Ohne entsprechende Abrede oder anderweitige Anhaltspunkte darf keinesfalls einfach davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsnehmer Kostenschuldner der Forderung ist.
Bei älteren Kindern und Jugendlichen kommt es mithin häufiger vor, dass diese den Arzt ohne Begleitung eines Sorgeberechtigten aufsuchen. Ob dies mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters geschieht, oder der Minderjährige ohne entsprechendes Einverständnis die Behandlung durchführen lässt, fällt in die Risikosphäre des Arztes. Daher sollte auch in diesen Fällen immer vorab geklärt und dokumentiert werden, wer Vertragspartner des Behandlungsvertrages werden soll.
Wird der Minderjährige im Verlauf derselben Behandlung volljährig, ändert dies zunächst nichts an der Zahlungspflicht des bisherigen Kostenschuldners. Dies gilt freilich nicht für Behandlungsverträge, die erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit geschlossen werden. Soll hier ein Elternteil Kostenschuldner werden, wäre dies wiederum entsprechend zu vereinbaren.
An wen die Rechnung zu übersenden ist, sollte vorab geklärt und gegebenenfalls schriftlich vereinbart werden. Eine ausführliche Dokumentation und Sozialanamnese ist empfehlenswert.
Die Einwilligung in die Abtretung des Honorars an die Verrechnungsstelle
Neben einer ordnungsgemäßen – auch wirtschaftlichen – Aufklärung ist insbesondere das Vorliegen einer schriftlichen Einwilligungserklärung in die Abtretung der Honorarforderung von essentieller Bedeutung. Bereits 1991 hat der BGH (BGH Urt. v. 10.07.1991, Az.: VIII ZR 296/90) klargestellt, dass das Fehlen einer wirksamen Einwilligungserklärung die Nichtigkeit der Abtretung des Honoraranspruches an die Verrechnungsstelle zur Folge hat (§ 134 BGB i.V.m. § 203 StGB; s.a. § 10 Abs. 6 GOZ). Mit der Weitergabe der Patientendaten ohne Einverständnis verletzt der Arzt seine Schweigepflicht und setzt sich damit letztlich auch erheblichen straf- und berufsrechtlichen Risiken aus.
Daher ist noch vor Weitergabe jedweder Patientendaten zu prüfen, ob eine wirksame Einwilligung vorliegt.
Grundsätzlich muss der betroffene Patient die Einwilligungserklärung unterzeichnen. Dies übernimmt beim Minderjährigen dessen gesetzlicher Vertreter. Ob nun der minderjährige Patient darüber hinaus auch persönlich seine Einwilligung erteilen muss, ist weniger von dessen Alter, als von seiner Einsichtsfähigkeit abhängig. Sofern ein Minderjähriger die entsprechende Reife und Einsichtsfähigkeit hat, ist die Einwilligungserklärung auch von ihm selbst mitzuzeichnen. Spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit ist zwingend die Einwilligung des Patienten selbst einzuholen. Dies gilt auch hinsichtlich bereits begonnener Behandlungen, deren Honorarforderung nicht bereits abgetreten worden ist.
Der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen muss die Erklärung in jedem Falle unterzeichnen. In der Praxis wird die Erklärung zumeist allein von dem das Kind begleitenden Elternteil erteilt. Daher sollte hierzu der Hinweis vermerkt werden, dass der Unterzeichnende alleinvertretungsberechtigt ist, bzw. er auch in Vertretung für den weiteren Sorgeberechtigten handelt. Ob dies ausreichend ist, oder aber zwingend beide Elternteile unterzeichnen müssen, ist derzeit höchstrichterlich noch nicht geklärt. Bisher ließen die Gerichte die Erklärung durch einen Elternteil ausreichen. Anders jedoch das Landgericht Mannheim, das in einer Entscheidung (Urt. v. 20.11.2014 Az. 10 S 44/14) die Unterzeichnung der Erklärung von nur einem Sorgeberechtigten als unwirksam erachtete. Ob sich die Auffassung des LG Mannheims letztlich auch höchstrichterlich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Soll ein Anderer Kostenschuldner der Honorarforderung werden, so ist er als sog. Drittbetroffener ebenfalls vom Schutzbereich der ärztlichen Schweigepflicht umfasst. In diesem Falle ist auch von ihm die Einwilligungserklärung abzugeben.
Die Erklärung muss demnach von dem gesetzlichen Vertreter und dem einsichtsfähigen Minderjährigen sowie (sofern vorhanden) von dem betroffenen Drittbeteiligten unterzeichnet werden.
Zusammenfassung
- Klären Sie vor Behandlungsbeginn ab, wer Kostenschuldner Ihres Honorars werden soll, lassen Sie sich dies ggf. schriftlich bestätigen. Eine sorgfältige Sozialanamnese und Dokumentation sind ebenfalls hilfreich
- Prüfen Sie vor Weitergabe der Patientendaten, ob eine wirksame schriftliche Einwilligungserklärung vorliegt
- Bei minderjährigen Patienten ist hierbei insbesondere zu beachten:
- Der gesetzliche Vertreter muss diese unterzeichnen
- Der einsichtsfähige Minderjährige muss auch unterzeichnen
- Drittbetroffene müssen ebenfalls ihr Einverständnis erteilen
- Ab dem Eintritt der Volljährigkeit (Vollendung des 18. Lebensjahres) muss der Patient sein Einverständnis selbst erteilen
Aufgrund der Komplexität des Themas können hier nur die Grundzüge der Problematik dargestellt werden. Wer die vorgenannten Voraussetzungen beachtet, kann das mit den Forderungen einhergehende Prozessrisiko reduzieren. Freilich kommt es jedoch immer auf den jeweiligen Einzelfall an, lassen Sie sich rechtlich beraten.
Rechtsanwaltskanzlei Buchmüller-Reiss, Köln
Kim-Victoria Friese, Rechtsanwältin
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Kundenmagazin up date 01/2017
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