Schlechte Noten für den Doktor? So urteilen die Gerichte über Arztportale
Die Bewertung von Ärzten und medizinischen Dienstleistungen im Internet ist ein Phänomen, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.
Patienten nutzen Online-Plattformen, um ihre Erfahrungen mit Ärzten zu teilen, sich über die Qualität von Behandlungen zu informieren oder einen passenden Arzt zu finden. Für Ärzte können solche Bewertungen als kostenfreie Werbung dienen. Bewertungen können jedoch auch negative Folgen haben, wenn sie ungerechtfertigt oder diffamierend sind. Nicht selten nutzen Kritiker die Anonymität des Internets, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, medizinische Kompetenzen anzuzweifeln oder den Arzt gar persönlich anzugreifen.
Im Rahmen einer Online-Bewertung sind in der Regel drei Akteure beteiligt – der Bewertete, der Bewertende und der Hostprovider (Anbieter des Bewertungsdienstes). Der Hostprovider ist ein Unternehmen, das fremde Inhalte auf seinen Servern für andere Nutzer bereitstellt. Bewertungen können von jedermann abgegeben werden, unabhängig ob Patient, Mitbewerber oder Dritter. In diesem Fall stellt sich die Frage, wie Ärzte sich gegen solche Bewertungen wehren können und welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten.
I. Dürfen meine personenbezogenen Daten in ein ärztliches Bewertungsportal aufgenommen werden?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits durch vielfache Urteile bestätigt, dass er sowohl nach dem Bundesdatenschutzgesetz als auch nach der geltenden DSGVO die Datenverarbeitung durch Arztbewertungsportale grundsätzlich als zulässig erachtet. Es hat gleichwohl stets eine Abwägung des Rechts des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit mit dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arztes zu erfolgen.
Ein genereller Anspruch des Arztes auf Löschung seines Profils auf einem Arztbewertungsportal besteht daher nicht. Es handelt sich um eine zulässige Erhebung, Speicherung und Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arztbewertungsportals, das ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen bedient.
Der Portalbetreiber ist jedoch verpflichtet, seine Stellung als „neutraler“ Informationsmittler zu wahren und darf nicht in den Wettbewerb zwischen den Ärzten eingreifen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er bestimmten Ärzten gegen Entgelt Vorteile verschafft, die über eine bloße Werbung hinausgehen. In einem solchen Fall kann der Arzt die Löschung seines Profils verlangen.
II. Welche Prüfpflichten hat der Hostprovider, wenn ich eine Bewertung rüge?
Mit der Frage des Umfangs der Prüfpflichten der Hostprovider beschäftigten sich zuletzt erneut der BGH (Urteil vom 09.08.2022, VI ZR 1244/20) sowie das OLG Saarbrücken (Urteil vom 09.09.2022, 5 U 117/21). Diese neueren Urteile führen die bisherige Rechtsprechung des BGH fort und nehmen zunehmend auch die Portalbetreiber in die Pflicht. Dies eröffnet unter anderem Ärzten neue effiziente Möglichkeiten gegen bestimmte Bewertungen vorzugehen.
Der BGH geht davon aus, dass der Hostprovider grundsätzlich nicht für die von ihm gespeicherten fremden Inhalte verantwortlich ist, solange er keine Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit hat. Er ist daher nicht verpflichtet, die von ihm gespeicherten Bewertungen vorab auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Erst wenn er von einem Betroffenen auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss er die beanstandete Bewertung überprüfen und gegebenenfalls entfernen oder den Zugang zu ihr sperren. Der Hostprovider wird dann zum sog. „mittelbaren Störer“, der auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.
Während vorangegangene Entscheidungen noch teilweise davon ausgingen, dass der Bewertete den Hostprovider nicht nur auf die beanstandete Bewertung hinweisen muss, sondern auch darlegen muss, warum diese unwahr oder rechtswidrig ist, reicht nun zur Eröffnung der Prüfpflichten des Portalanbieters die Behauptung aus, dass mit dem Bewertenden kein Behandlungsverhältnis bestand. Dies ist also insbesondere für alle anonymen Bewertungen oder solche, die keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angabe enthält, eine Möglichkeit, um unliebsame Bewertungen möglichst schnell aus der Welt zu schaffen.
Der Hostprovider ist dann verpflichtet, diese Rüge dem Bewertenden zukommen zu lassen. Unterlässt der Hostprovider die Aufforderung zur Stellungnahme an den Bewertenden oder gibt der Bewertende keine Stellungnahme ab, ist der Hostprovider verpflichtet, die Bewertung zu löschen.
In diesen Fällen ist es also auch nicht mehr notwendig, den Inhalt der Bewertung zu betrachten. Es ist vielmehr ausreichend dem Betreiber mitzuteilen, dass der Bewertende nicht bekannt ist und keine Behandlung stattgefunden hat. Auf eine unwahre Tatsachenbehauptung oder Diffamierung des Bewerteten kommt es dann nicht mehr an. Dies stellt eine begrüßenswerte Umkehr der Beweislast dar. Grundsätzlich hat derjenige die Tatsachen zu beweisen, die für ihn günstig sind.
Beispiel: Unter dem Usernamen „A.“ wird eine 1-Sterne Bewertung abgegeben. Die Bewertung enthält folgende Begründung: „Die Behandlung in der Praxis ist sehr schlecht.“
n diesem Fall ist die Bewertung weder durch den Namen einem Patienten zuzuordnen, noch zu einer konkret erfolgten Behandlung. Hier ist es daher ausreichend, den Patientenkontakt zu bestreiten. Erfolgt keine Reaktion des Hostproviders und gibt der Bewertende auch keine Stellungnahme ab, ist der Hostprovider verpflichtet, die Bewertung zu löschen.
Dies ist auch sachgerecht, da es dem Arzt in dem oben genannten Beispiel überhaupt nicht möglich ist, diese Angaben zu überprüfen oder einem Behandlungsverhältnis zuzuordnen.
Vorsicht geboten ist jedoch in solchen Fällen, in denen der Patient bekannt ist, und der Arzt nur zum Zweck der Löschung der Bewertung wahrheitswidrig behauptet, es bestehe kein Behandlungsverhältnis oder der Patient sei nicht bekannt.
Ausreichend ist also bereits das pauschale Bestreiten des Bewerteten, dass es relevanten Kontakt zum Bewertenden gab. Das Bewertungsportal muss in diesem Fall nachhaken, um nicht selbst in Anspruch genommen zu werden. Legt der Bewertende nicht oder nicht ausreichend dar, tatsächlich in geschäftlichem Kontakt gestanden zu haben, muss das Portal die Bewertung löschen. Hostprovider werden damit stärker in die Verantwortung genommen und Hürden für die Bewertenden, negative Rezensionen nachhaltig zu veröffentlichen, steigen. Bewerteten gibt der BGH hingegen eine neue Möglichkeit an die Hand, um für sie nachteilige Inhalte verhältnismäßig einfach und ohne erheblichen Zeitaufwand zu beseitigen.
Janina Franz
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
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