Wer zahlt die Pflege der Eltern? Elternunterhalt im Pflegefall
Die Lebenserwartung in Deutschland steigt. Viele sind auf Pflege angewiesen. Oftmals reichen das eigene Einkommen und ein ggf. vorhandenes Vermögen aber nicht aus, um die Pflege vollständig zu bezahlen. Manchmal springt das Sozialamt finanziell in die Bresche. Zurückgefordert wird das Geld aber dann in der Regel von den sog. Verwandten in gerader Linie.
In letzter Zeit sind auffallend viele unserer Mitglieder von Verwandten Pflegebedürftiger gefragt worden, ob Angehörige Unterhalt zur Pflege ihrer Eltern zahlen müssen. Dies haben wir zum Anlass genommen, um in diesem Beitrag über die Grundzüge des sog. Elternunterhalts zu informieren.
Verwandtschaft in gerader Linie
Dass Eltern für ihre Kinder einstehen, ist jedem bewusst. Man kennt das berühmte Schild an Baustellen, auf dem steht: “Eltern haften für ihre Kinder.“ Umgekehrt müssen aber auch Kinder ggf. für ihre Eltern einstehen. Denn sog. Verwandte in gerader Linie schulden sich gegenseitig Unterhalt. Verwandte in gerader Linie sind Personen, die in gerader Linie voneinander abstammen, also bspw. Großmutter, Mutter, Tochter, Enkelin (für das männliche Geschlecht gilt dies gleichermaßen). Wird also zum Beispiel die Großmutter pflegebedürftig und kann die Pflege nicht vollständig aus eigener Tasche zahlen, so muss die Mutter ggf. Elternunterhalt für die Großmutter zahlen, denn sie ist das Kind der Großmutter und damit als Verwandte in gerader Linie unterhaltspflichtig. Ist der pflegebedürftige Elternteil verheiratet, so wird allerdings erst ggf. auf das Einkommen und Vermögen des Ehegatten zurückgegriffen, bevor das Kind in Anspruch genommen wird.
Wann muss das Kind Elternunterhalt zahlen?
Ein Anspruch der Eltern (oder eines Elternteils) auf Zahlung von Unterhalt entsteht nicht automatisch dann, wenn die Pflege nicht vollständig gezahlt werden kann. Der Anspruch ist an gewisse Voraussetzungen gebunden: Die Eltern müssen einen Bedarf haben. Außerdem müssen sie bedürftig sein. Die Kinder selbst müssen zudem in der Lage sein, Elternunterhalt zu zahlen. Der Unterhaltsanspruch darf nicht untergegangen sein.
Bedarf der Eltern
Bedarf ist das, was ein Mensch zum Leben braucht. Der Bedarf eines jeden Menschen ist verschieden. Maßstab für den Bedarf der Eltern sind deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Bei häuslicher Pflege ist der Bedarf des Pflegebedürftigen so hoch wie die notwendigen und angemessenen Kosten hierfür.
Bedürftigkeit der Eltern
Die Eltern sind bedürftig, wenn ihr Bedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen gedeckt werden kann. Das heißt: Die Eltern müssen erst eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen und verwerten bevor die Kinder in Anspruch genommen werden dürfen. Die Eltern müssen also bspw. erst ihre Einkommen aus einer unselbständigen Tätigkeit verwerten oder auch Renten und Pensionen, Pflegegeld, Mieteinkünfte usw. einsetzen. Die Eltern müssen ggf. auch Vermögen wie Lebensversicherungen oder Immobilien verwerten. Ob das Vermögen der Eltern allerdings tatsächlich angetastet werden darf oder nicht, ist immer im Einzelfall zu prüfen. Diese Prüfung sollte ein Anwalt vornehmen.
Leistungsfähigkeit des Kindes
Sind die Eltern bedürftig, muss das Kind aber auch dazu in der Lage sein, Unterhalt für die Eltern zu zahlen. Das Kind muss leistungsfähig sein. Es muss zunächst überprüft werden, ob das Kind überhaupt über eigenes Einkommen und Vermögen verfügt und wenn ja, ob es diese Einkünfte bzw. sein Vermögen auch einsetzen muss, um Unterhalt für die Eltern zu zahlen.
Denn oftmals ist es so, dass das Kind selbst bereits eine Familie gegründet hat und zunächst Unterhalt für die eigenen Kinder bieten muss oder gerade die eigene Immobilie abbezahlt wird.
Grundsätzlich hat aber auch das Kind vorhandenes Einkommen und Vermögen zunächst zur Befriedigung des elterlichen Unterhaltsanspruches einzusetzen. Beim Kind sind also auch bspw. Einkünfte aus selbständiger bzw. nicht selbständiger Tätigkeit, Renten und Pensionen oder Mieteinkünfte zu berücksichtigen. Die vorhandenen Einkünfte des Kindes werden aber bereinigt. So werden bspw. bei Einkommen des Kindes aus nicht selbständiger Tätigkeit etwa Steuern, Sozialabgaben und berufsbedingte Aufwendungen abgezogen. Außerdem werden, wenn das Kind geschieden und dem Ex-Ehepartner zum sog. Trennungs- oder nachehelichen Ehegattenunterhalt verpfl ichtet ist, diese Ansprüche des Ex-Ehepartners vorrangig berücksichtigt. Das heißt, das Kind muss erst den Unterhaltspfl ichten gegenüber seinem Ex-Ehepartner nachkommen, bevor es Elternunterhalt zahlen muss. Dasselbe gilt für etwaigen Kindesunterhalt: Dieser hat Vorrang vor dem Elternunterhalt!
Ergibt sich aus der Prüfung, dass das Kind aus seinem Einkommen nichts zum Elternunterhalt beitragen kann, so wird sein Vermögen (etwa Barvermögen oder eigene Immobilie) betrachtet. Beim Vermögen des Kindes wird geprüft, ob dieses tatsächlich angetastet werden darf oder ob es sog. unantastbares Schonvermögen ist. Bewohnt das Kind bspw. eine eigene Immobilie, so muss diese nicht für den Elternunterhalt verwertet werden, auch, wenn die Immobilie evtl. zu groß ist. Die Bereinigung des Einkommens des Kindes sowie die Prüfung, ob es über unantastbares Schonvermögen verfügt, sollte unbedingt von einem Anwalt geprüft werden, da hier zahlreiche Fallstricke lauern.
Untergang des Elternunterhaltsanspruches
Selbst wenn die Eltern bedürftig sind und das Kind leistungsfähig ist, also Elternunterhalt leisten könnte, kann es immer noch sein, dass der Anspruch der Eltern auf Unterhalt untergegangen ist. Dies ist der Fall, wenn die Eltern oder das zum Unterhalt verpfl ichtete Kind sterben, die Eltern auf Unterhaltsansprüche verzichten oder Verjährung eingetreten ist. Außerdem kann es sein, dass die Eltern ihren Anspruch verwirkt haben, wenn sie beispielsweise dem Kind während dessen Kindheit keinen Kindesunterhalt gewährt haben.
Anna-Lena Benner-Berns,
Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e.V. Hannover
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Kundenmagazin up date 04/2018
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