Werbung durch Ärzte: Was ist erlaubt, was ist verboten?
Ärztliches Marketing im Lichte der neueren Rechtsprechung
Der Arzt ist als Freiberufler, der kein Gewerbe ausübt (§ 1 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä), dennoch auch Unternehmer. Er ist daher darauf angewiesen, auf seine Praxis und sein medizinisches Angebot aufmerksam zu machen. Ärzte dürfen für ihre Leistungen werben, solange sie dabei die Grenzen der berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften einhalten. Diese Grenzen sind jedoch nicht immer klar definiert und werden von der Rechtsprechung fortlaufend konkretisiert. Hier überschneiden sich – nicht zuletzt auch aufgrund der Einzug haltenden Digitalisierung- Berufsrecht, Lauterkeitsrecht, Heilmittelwerberecht, Unionsrecht und auch das Grundgesetz, insbesondere das Recht auf freie Berufsausübung.
Derzeit ergibt sich der berufsrechtliche Rahmen der ärztlichen Werbung aus § 27 MBO-Ä in der Fassung der Beschlussfassung des 118. Ärztetages 2015 sowie für Zahnärzte aus § 21 MBO-Z. Zweck dieser Vorschriften ist der Patientenschutz. Bis zum Jahr 2000 sah das ärztliche Berufsrecht ein generelles Werbeverbot vor. Zwischenzeitlich wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen erheblich liberalisiert und durch die Rechtsprechung weiter fortgeschrieben. Dies entspricht auch dem Zeitgeist. Patienten können nur dann ihr Recht auf freie Arztwahl ausüben, wenn Ihnen entsprechende Informationen zur Verfügung stehen.
Die wichtigsten Regeln im Überblick:
- Die Werbung darf nicht irreführend sein, z.B. durch falsche oder unvollständige Angaben über die Qualifikation, die Erfahrung oder die Erfolgsaussichten des Arztes.
- Die Werbung darf nicht anpreisend sein, z.B. durch übertriebene oder vergleichende Darstellungen der eigenen Leistungen oder durch unzulässige Garantien oder Heilversprechen.
- Die Werbung darf nicht herabsetzend/vergleichend sein, z.B. durch negative oder abwertende Äußerungen über andere Ärzte oder Behandlungsmethoden.
- Die Werbung darf nicht unsachlich sein, z.B. durch den Einsatz von emotionalen oder suggestiven Mitteln wie Bildern, Musik oder Testimonials.
- Die Werbung muss die berufliche Unabhängigkeit und die ärztliche Schweigepflicht wahren, z.B. durch die Einhaltung des Verbots der Zuweisung oder Vermittlung von Patienten gegen Entgelt oder durch die Einholung der Einwilligung der Patienten bei der Verwendung ihrer Daten oder Bilder.
§ 27 MBO-Ä stellt damit allgemeine Anforderungen an die Zulässigkeit ärztlicher Werbung auf, beinhaltet daneben aber spezifische Vorgaben wie das Verbot berufswidriger Werbung und das Fremdwerbeverbot. Patienten sollen darauf vertrauen dürfen, dass der Arzt keine kommerziellen Interessen verfolgt.
Urteil: Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“
In einer neueren Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nochmals mit der Frage beschäftigt, welche Anforderungen an eine Praxis mit der Bezeichnung „Zentrum“ zu stellen sind (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.05.2023 – 6 U 4/23).
Das Oberlandesgericht entschied entgegen der Auffassung der Vorinstanz und auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts, dass der Verkehr im medizinischen Bereich jedenfalls bei einer sich als „Zentrum“ bezeichnenden Arztpraxis keine Mindestanzahl an Ärzten mehr erwartet, da auch ein medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V keine Mindestanzahl mehr verlangt und dies das Verkehrsverständnis beeinflusst.
Urteil: Ärztliche Fachqualifikation „Kinderzahnärztin und Kieferorthopädin“ sowie Kinderzahnarztpraxis
Beanstandet wurde von der Berufsaufsicht der Zahnärzte ein Imagefilm, in welchem eine Zahnärztin eines ZMVZ als „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ vorgestellt wurde. In dem ZMVZ arbeitet neben dieser und weiteren Zahnärztinnen eine Fachärztin für Kieferorthopädie.
Der Bundesgerichtshof (BGH) führt aus, dass die insbesondere in Kombination genutzte Verwendung im konkreten Fall irreführend sei und damit einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß darstelle. Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Für die Beurteilung des Verkehrsverständnisses sei u. a. abzustellen auf Eltern, die für ihre Kinder einen Zahnarzt suchten. Bei der Bezeichnung „Kinderzahnärztin“ gehe der Verkehr im konkreten Fall davon aus, dass die Zahnärztin über gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene besondere Zahnheilkundequalifikation verfüge.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass es einem im Bereich der Kinderzahnheilkunde tätigen Zahnarzt grundsätzlich zumutbar sei, zur Vermeidung einer durch die Verwendung des Begriffs „Kinderzahnarzt“ im Einzelfall entstehenden Fehlvorstellung, er habe eine Weiterbildung zum Fachzahnarzt absolviert, bei der Bewerbung seiner fachlichen Qualifikation auf andere, weniger verwechslungsanfällige Begriffe auszuweichen, z.B. einen Tätigkeitsschwerpunkt oder eine Weiterbildung, die es interessierten Personen möglich mache, sich über die Inhalte dieser Zusatzqualifikation zu informieren (vgl. BGH Urteil vom 7.4.2022 – I ZR 5/21).
Unabhängig davon steht es im Bereich der Kinderzahnheilkunde tätigen Zahnärzten grundsätzlich offen, für ihre Tätigkeit mit Begriffen zu werben, die keine Fehlvorstellung hinsichtlich einer besonderen fachlichen Qualifikation auslösen, z.B. „Kinderzahnarztpraxis“.
Urteil: Werbung für digitalen Arztbesuch via App
In dem vom BGH entschiedenen Fall hat die Beklagte für eine nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung im Wege der Fernbehandlung geworben: „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.“
Der BGH (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2021 – I ZR 146/20) hielt die beanstandete Werbung in diesem Zusammenhang für unzulässig.
Er stellte jedoch klar, dass das Ergebnis anders ausfallen kann, wenn bezogen auf die jeweilige Indikation vom Werbenden nachgewiesen werden kann, dass allgemein anerkannte fachliche Standards bestehen, die einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich machen und eine Fernbehandlung gestatten.
Wie anhand der aktuellen Rechtsprechung erkennbar, gelten die genannten Vorschriften für alle Formen der Werbung, egal ob sie in Printmedien, im Internet, in sozialen Netzwerken, in Radio oder Fernsehen oder in anderen Medien erfolgt. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von den zuständigen Kammern und Wettbewerbsbehörden überwacht. Bei Verstößen können Sanktionen wie Abmahnungen, Unterlassungsklagen, Geldbußen oder berufsrechtliche Maßnahmen drohen. Daher ist es für Ärzte ratsam, sich vor der Durchführung von Werbemaßnahmen rechtlich beraten zu lassen und die aktuelle Rechtsprechung zu diesem Thema zu verfolgen.
Janina Franz
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Semsi | Graf | Buchmüller-Reiss
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